Stolpersteine nutzen
Ich möchte gerne noch mehr von meinen inneren Reisen durch meine Potenziale erzählen. Denn obwohl ich ja nur darin eintauche, um einen Ausweg aus meinen Schmerzen zu finden, entdecke ich am Ende doch jedes Mal viel mehr als das, nämlich unbezahlbare Schätze. Ich lasse mich also immer wieder gedanklich durch meine unendlichen Möglichkeiten treiben. Bis ich früher oder später bei der einen lande, die sich absolut stimmig und perfekt für mich anfühlt: Dieser Moment ist jedes Mal so, als ob mein Herz platzen und nur noch befreit lachen will!
Der innere Prozess, bevor ich an diese Punkte komme, fühlt sich ein bisschen so an, als ob ich mich in einem natürlichen Fluss einfach treiben lasse: Stell dir einen kleinen Bachlauf vor. Seine Quelle kommt oben aus dem Berg heraus und sein Ziel ist das Tal, denn dafür sorgt von ganz allein die Schwerkraft. Das Lieblingspotenzial, auf das ich immer früher oder später stoße, ist wie dieses Ziel im Tal: Ich muss dort landen, das ist einfach unvermeidlich. Und genau wie der Bach, der seinen Weg ins Tal findet, führt auch der Weg zu meinem Ziel über Stock und Stein. Die Steine, die mir im Weg liegen, sind unbewusste Widerstände, auf die ich unterwegs stoße. Denn während ich mich durch meine Potenziale treiben lasse, lande ich immer wieder in Sackgassen, in denen ich feststecke und wo es nicht weitergeht.
Damit du es dir besser vorstellen kannst, beschreibe ich dir, wie ich die Reisen durch meine Liebespotenziale bisher erlebt habe: Da war zum Beispiel jemand, den ich liebte, und mein Herz wollte nur zu diesem Mann. Ich erlaubte mir diese Sehnsucht und ließ mich von ihr wie in einem Fluss einfach treiben. Und dabei gab es immer früher oder später einen Punkt, an dem dieser Fluss nicht weiterfloss. Dort stoppte alles. Ich fand keinen Ausweg – einfach nichts, was sich leicht und stimmig anfühlte: Alles, was ich mir an diesem Punkt vorstellen konnte, fühlte sich nur unangenehm an. Dann wünschte ich mir, dass ich diesen Menschen einfach wieder vergessen könnte – ich wollte lieber gar nichts mehr, als da in diesen unguten Gefühlen festzustecken. Aber dafür war es an diesem Punkt zu spät, so dass mir wie immer nichts anderes übrig blieb, als diese schlechten Gefühle zuzulassen. Das bedeutete, anzuerkennen, dass sie jetzt nun mal mitten vor meiner Nase lagen und mir jeden Weg versperrten. Also tauchte ich direkt hinein und ließ mich all diese unangenehmen Gefühle spüren. Und sobald das durchstanden war, landete ich jedes Mal an dem Punkt, an dem ich froh war, dass meine Schmerzen mir keine andere Wahl gelassen hatten. Denn genau in diesen frustrierenden Widerständen warteten die kostbarsten Schätze auf mich! Indem ich also den Stillstand zuließ und mich mitten hindurch fühlte, traf ich immer wieder auf einen Moment, in dem ich genau spürte, dass ich gerade gewachsen war und mich weiter entfaltet hatte.
Genau wie der Bach, der von allein seinen Weg ins Tal findet, ließ ich also alles zu, auf das ich innerlich stieß, wenn ich meiner Sehnsucht folgte. Egal wie unangenehm das war: Ich erlaubte mir, es mitzunehmen und tief darin einzutauchen. Und mittendrin in diesen Blockaden wurde ich dann zwar wild durcheinandergewirbelt und komplett auseinandergenommen, aber genau dieses Chaos sortierte sich früher oder später von ganz allein zu etwas völlig Neuem, das dann umso lebendiger und kraftvoller weiterfließen konnte.
Ich erzähle dir von einem Beispiel: Einmal war ich in jemanden verliebt und ich spürte, dass da gleichzeitig ein großer Widerstand in mir war. Ich dachte: Wenn dieser Mann jetzt wirklich bei mir klingeln würde – dann wäre mir das total unangenehm. Ich würde mich verschließen und in mir wäre nur Abwehr. Na toll, so kann das doch nichts werden, dachte ich. Aber ich vertraute mir und ließ diesen inneren Widerstand jetzt erst richtig zum Vorschein kommen, so dass ich ihn mir anschauen konnte: Was genau fühlte sich so verkehrt an? Was genau wollte ich vermeiden? Was wollte ich auf keinen Fall erleben? Und so testete ich in Gedanken alles Mögliche durch, was passieren könnte, wenn dieser Mann mir näher kommen würde. Bis ich plötzlich ganz genau sehen konnte, womit ich mich so unwohl fühlte. Und das war wieder so eine überraschend kostbare Erkenntnis...
Ich erkannte, dass ich zwar unendlich gerne meine geliebte Sexualität mit diesem Mann teilen würde. Es kam aber sofort ein heftiger Widerstand auf bei dem Gedanken daran, was danach sein würde. Denn wenn dieser Mann bei mir übernachten würde, dann wüsste ich genau, was am nächsten Morgen passierten würde: Wir würden aufstehen, uns anziehen und ich würde mich verpflichtet fühlen, uns mindestens einen Kaffee, aber wahrscheinlich sogar ein ganzes Frühstück zu machen. Und jetzt merkte ich: Das will ich gar nicht. Ja, ich habe das immer so gemacht – aber plötzlich frage ich mich, ob ich das überhaupt jemals mochte? Jetzt steht jedenfalls fest: Ich mag das nicht mehr.
Diese Erkenntnis war ganz verblüffend für mich und sie wühlte mich auf und ganz schnell kam noch viel mehr zum Vorschein. Ich erinnerte mich an meine vergangenen Beziehungen und sah, wieviel Zeit und Energie ich darauf verwendet hatte, es den Männern bei mir zuhause schön zu machen. Ich wollte, dass sie sich wohlfühlten und es wäre mir unhöflich vorgekommen, das alles nicht zu machen. Und obwohl ich mich nie beklagt hatte und sogar währenddessen selbst den Eindruck hatte, dass mir das alles Freude machte und ich es gerne machte – jetzt spürte ich plötzlich, dass mir das überhaupt kein bisschen Freude mehr machen würde. Das war es also, was ich auf keinen Fall mehr erleben wollte. Ich ließ mich weiter treiben, um jetzt alles zum Vorschein kommen zu lassen, was sich rund um dieses Verhalten an Unwohlsein in mir angestaut hatte – ich konnte spüren, dass da noch mehr dahinter steckte.
Ich hatte meine Partner wirklich aufrichtig geliebt und es war immer wunderschön für mich gewesen, wenn ich ihnen ganz nah bei mir im Bett meine Liebe zufließen lassen konnte. Aber der ganze Rest – der ganze Alltag mit ihnen… jetzt auf einmal konnte ich mir erst eingestehen, dass ich mich damit überhaupt nicht besonders wohlgefühlt hatte. Ich dachte an meine vielen Beziehungen zurück und ich fand wirklich nur eine einzige, die nicht so war – und das war meine allererste Beziehung, die mit Claudio. Die war eine Ausnahme gewesen, aber mit allen anderen Partnern hatte sich der Alltag unserer Beziehungen immer völlig anders angefühlt als unsere intime Zweisamkeit. So klar hatte ich das noch nie gesehen und ich ließ weiter alles zu, was in mein Bewusstsein drängte…
Alle diese Männer waren außerhalb vom Bett so ganz anders gewesen. Wenn sie aufgestanden waren und sich ihre Klamotten wieder angezogen hatten… in dem Moment wurde alles ganz anders. Das war so, als ob sie sich nicht Jeans und Pullover angezogen hätten, sondern eher eine unsichtbare Ritterrüstung aus Metall. Die den Fluss von Liebe stoppte, der vorher im Bett so ganz natürlich zwischen uns geflossen war. Dagegen waren diese Männer im angezogenen Zustand wie verwandelt, als wären sie in eine andere Rolle geschlüpft. Auf einmal wurden sie ganz vernünftige, nüchterne, beschäftigte Männer – und von allem Warmen und Weichen war meistens überhaupt keine Spur mehr. Oje: Warum war mir das denn bisher nie aufgefallen?
Denn trotzdem war meine Liebe weiter zu ihnen geflossen und sie floss auch in meinen Wunsch, es meinen Partnern schön zu machen und dafür zu sorgen, dass sie sich bei mir zuhause wohl fühlten. Aber sie – hatten dann eigentlich gar keinen Sinn mehr für sowas wie Liebe gehabt und auf einmal nur noch ihre Arbeit, Karriere oder irgendwelche ganz anderen Projekte im Kopf. Das plötzlich so klar zu sehen, erschreckte mich: War ich denn wirklich mein ganzes Leben lang so eine unemanzipierte Idiotin, dass mir das nicht aufgefallen ist? Ich fühlte mich beschämt über mein naives, treudoofes Verhalten. Und erst jetzt konnte ich mir eingestehen, wie sehr es mich in Wahrheit schon immer verletzt hatte, dass meine Partner außerhalb vom Bett so kühl und nüchtern waren: Fast so, als hätte es unsere liebevolle Intimität überhaupt nie gegeben. Das alles kam jetzt ungebremst zum Vorschein und wie immer blieb mir nichts anderes übrig, als auch diese Gefühle alle zuzulassen. Es tat sehr weh und es machte mich traurig und besorgt.
Trotzdem ließ ich alles zu. So lange, wie es nun mal da war. Bis auf einmal – nur noch Mitgefühl für mich selbst übrig blieb. Plötzlich dachte ich: Manometer, ich muss aber wirklich ein verdammt großes Herz haben, dass ich solche Männer über so viele Jahre so aufrichtig und unerschütterlich lieben konnte. Und noch dazu ein extrem gutgläubiges Herz. Es berührte mich tief, mich selbst auf einmal so zu sehen. Und ich spürte, wie auch meine Energie diese Selbsterkenntnisse sofort registrierte und sich neu darauf ausrichtete – und ich mein Herz jetzt erst recht ganz unbesorgt so groß und offen lassen konnte.
Aber wie weiter? Was sollte ich jetzt mit dieser neuen Klarheit anfangen? Mein altes Verhalten wollte ich so nicht weiterführen, soviel stand fest. Aber wie würde das praktisch aussehen? Ich überlegte, wozu ich noch bereit wäre und wozu nicht mehr. Und jetzt erst spürte ich, dass ich den Bogen so sehr überspannt hatte, dass ich mich inzwischen zu überhaupt nichts mehr bereit fühlte, was ich nicht wirklich als erfüllend empfand: Kein Frühstück mehr, soviel war klar. Auch kein ständig voller Kühlschrank mehr. Aber wenn ich ehrlich war, dann wollte ich jetzt noch nicht mal mehr, dass irgendein Mann auch nur noch meine Dusche benutzte – ich hasste es nämlich, die sauber zu machen, und ich selbst benutzte sie genau deshalb nur zum Haarewaschen: Ansonsten schüttete ich mir im Garten eine Gießkanne Wasser über den Kopf. Ich will nicht mehr für einen Mann meine Dusche sauber machen, wenn ich das noch nicht mal für mich selbst machen möchte!
Jetzt fing das alles an, mir Angst zu machen. Wie sollte ich denn jemals wieder eine Beziehung haben können, wenn ich solche selbstverständlichen Sachen auf einmal nur noch inakzeptabel fand? Jetzt war jawohl klar, dass ich ein hoffnungsloser Fall war: Viel zu schräg, viel zu kompliziert und viel zu anspruchsvoll. Aber trotzdem war es ja die Wahrheit – das waren ja alles meine aufrichtigen Gefühle. Ich wusste nicht weiter, so dass mir wieder nichts übrig blieb, als mich auch in diese Verwirrung und Widersprüchlichkeit hineinfallen zu lassen. Eine ganze Zeit lang fühlte ich mich also nur merkwürdig, schräg, kompliziert, beziehungsunfähig und einfach völlig verkehrt.
Aber dann klärte sich plötzlich etwas. Auf einmal sah ich diese beiden Beziehungssituationen – im Bett und außerhalb vom Bett – auf eine ganz neue Art. Ich dachte: Im Bett hatten meine Partner und ich beide unsere Liebe füreinander geteilt. Da war das uns beiden ein Bedürfnis gewesen und deshalb hatten wir auch beide genau das gemacht. Aber in der gesamten übrigen Zeit war es nur noch mir ein Bedürfnis gewesen, zu teilen. Und in dem Moment wusste ich: Ich möchte mich mit Männern nur noch zum Teilen zusammentun. Ich möchte nur noch dann, wenn wir beide uns selbst und unsere Liebe miteinander teilen wollen, Zeit mit ihnen verbringen. Und für alles andere nicht mehr.
Ich wusste plötzlich: Für alles andere ist mir meine Zeit zu schade. Ich brauche keine Gesellschaft, ich fühle mich nicht einsam, wenn ich allein bin – wozu sollte ich dann also noch Zeit mit diesen Männern verbringen, wenn ich mich dabei noch nicht mal wohlfühlte? Jetzt war mir glasklar: Wenn ich jemanden liebe, dann möchte ich nur noch für solche Momente mit demjenigen zusammenkommen, wenn wir unsere gemeinsame Liebe teilen. Den ganzen Rest möchte ich nicht mehr, den sollen diese Männer ohne mich verbringen. Ich kann und will sie nicht verändern, aber ich möchte auch meine eigenen Gefühle nicht mehr mit Füßen treten. Ab sofort werde ich nur noch die Momente mit meinen Partnern teilen, die ich wirklich mit ihnen teilen möchte.
Aaahh… was für eine ungewöhnliche Art von Beziehung ich da plötzlich für mich entdeckt hatte: Auf einmal fühlte sich das überhaupt nicht mehr schräg oder gestört an, sondern wie das einzig Wahre! Und im nächsten Moment dachte ich: Wer weiß – am Ende gibt es sogar jemanden, der auch außerhalb vom Bett unsere gegenseitige Liebe fließen lassen möchte? Umso besser, dann habe ich jetzt ja endlich Zeit, so jemandem zu begegnen, weil ich nicht mehr in irgendeinem unglücklichen Beziehungsalltag feststecke!
Der Mann, der diese erhellenden Gedankengänge in mir auslöste, hat nie an meiner Tür geklingelt, zwischen uns gab es nie eine Beziehung außerhalb meiner Fantasie. Aber in meiner nächsten realen Beziehung – das war die mit Bernd – fiel mir ganz erstaunt und glücklich auf, dass sich mein Beziehungsalltag völlig anders anfühlte als früher. Denn jetzt war es überhaupt nicht mehr selbstverständlich, dass ich ihn auf meinen Partner abstimmte und schon gar nicht fühlte ich mich dafür verantwortlich, dass er sich wohlfühlte. Und ich musste richtig lachen: Bernd duschte nicht nur gerne bei mir im Garten, sondern er fand meine Gießkannentechnik so praktisch, dass er sie sogar bei sich zuhause einführte!
Im Bett teilte ich meine Liebe mit ihm, aber außerhalb schenkte ich sie nur noch mir selbst: Da machte ich nur noch das, was sich für mich am stimmigsten anfühlte. Wenn ich Bernd besuchte und er mir zu kaltherzig war, dann schlief ich im Gästezimmer und wenn ich ihn unmöglich fand, dann fuhr ich nachhause. Ohne dass ich überhaupt angestrengt wachsam sein musste, waren meine eigenen Bedürfnisse viel mehr in meinen Fokus gerückt. Und ganz am Ende bedrängten sie mich sogar richtig, als Bernd mich nochmal für ein paar Tage besuchen kam. Da konnte ich einfach nicht mehr so tun, als ob alles in Ordnung wäre, ich merkte so deutlich: Ich möchte nicht mehr, dass dieser Mensch tagelang in meinem geliebten Zuhause herumläuft – er kam mir richtig vor wie ein Fremdkörper, der an diesem schönen Ort nichts mehr zu suchen hatte. Er hatte mich so oft verletzt und auf einmal hatte ich einfach keine Lust mehr, darauf zu hoffen, dass sich das jemals ändern könnte. Ich wollte dann eigentlich nochmal in Ruhe über alles nachdenken, sobald ich wieder alleine war. Aber dann schliefen wir noch einmal miteinander und diesmal – war auch dort dieser wundervolle Zauber weg, den ich so intensiv mit Bernd erlebt hatte. Jetzt war auch hier alles von Farbe auf Schwarzweiß gewechselt, so dass ich wusste, dass unsere Beziehung aus war.
Erst jetzt beim Schreiben erinnere ich mich wieder an das Gefühl in meiner allerersten Beziehung: Zwischen Claudio und mir hatte ich durchgehend unsere Liebe hin und her fließen gespürt. Sogar dann, wenn wir räumlich weit auseinander waren, als Claudio irgendwann fürs Studium wegzog. Sein Herz war auch immer offen und mir zugewandt geblieben. Und so hatte unsere gegenseitige Liebe unsere Beziehung ständig wie eine dichte Wolke umhüllt und getragen und sie hatte immer Priorität gehabt. Jetzt sehe ich: Nur so eine Beziehung ist für mich eine wirkliche Liebesbeziehung. Meine Partner müssen dabei einfach dasselbe im Sinn haben wie ich: „Give all to love“ – und nicht „to work“ oder sonstwas. Nur noch so eine Beziehung kommt für mich in Frage.
So. Siehst du also, wie ich mich selbst und meine Bedürfnisse erst erkennen konnte, weil alles da sein durfte, was sich mir innerlich zeigte? Dadurch änderte sich mein ganzes Bewusstsein, so dass sich anschließend auch meine Erfahrungen von ganz allein neu ausrichteten und wiederum perfekt zu meinem neuen Ich passten.
Kommentar schreiben