Noch mehr Intimität

Duft und Tränen

Wassertropfen

Das nächste Kapitel in meinem Liebesleben ging gar nicht lange später los, als ich einmal in meinem Vorgarten in einem Blumenbeet hockte und Unkraut rupfte. Ich hörte, wie hinter mir an der Straße ein Auto anhielt, genau vor meinem Haus und als ich mich umdrehte, stiegen da eine Frau und ein Mann aus. Die beiden kamen direkt auf mich zu und erzählten mir, dass sie für ein Magazin arbeiteten und so gerne ein Foto von meinem niedlichen Häuschen machen würden – es war ihnen im Vorbeifahren aufgefallen. Ich hatte nichts dagegen und führte sie ums Haus herum. Der Mann knipste ein paar Bilder und dann – erlebte ich etwas sehr Verwirrendes. Etwas sehr positiv Verwirrendes. 

 

Es passierte, als wir drei uns noch eine Weile unterhielten und dabei durch meinen Garten streiften: Plötzlich musste ich die beiden ganz aufgeregt anstarren – uah! Was ist das denn?! Finden die das auch so verrückt?! Die gesamte Wiese war auf einmal in eine Duftwolke gehüllt. Die roch so intensiv, dass es mir wirklich surreal vorkam und mein Herz sofort schneller schlug. Aber ich war verwirrt: Den beiden fiel das anscheinend gar nicht auf, das sah ich an ihren Gesichtern. Aber für mich war dieser Geruch einfach himmlisch und er kam von dem Fotografen: Der roch so extrem nach einer Mischung aus den allerschönsten Zutaten! In dem Moment konnte ich sie gar nicht genau identifizieren, aber in meiner Erinnerung rieche ich Holz, Sonne, Haut, Erde, Wolle, Wald und Salz. Für mich duftete dieser Mann soo gut, dass ich unauffällig so viel wie ich konnte von ihm aufschnüffelte.

 

Aber bald schlenderten wir zurück vors Haus und die beiden verschwanden wieder. Für einen ganz kurzen Moment dachte ich: Ich hatte mich so wohl gefühlt da neben diesem Mann – ob ich ihn vielleicht irgendwie nochmal kontaktieren sollte? Aber dann spürte ich schon wieder, dass mir das viel zu anstrengend war. Durch die vielen Jahre mit meinen Schmerzen war ich irgendwann zu dem Schluss gekommen: Was ich nicht von allein geschehen und zu mir kommen lassen kann, das liegt auch nicht auf meinem Weg. Ich hatte immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich mir alles, was sich anstrengend anfühlt, von vorn herein sparen kann – es führte nie zu irgendwas Gutem. Und überhaupt war ich mir nicht sicher: Waren die beiden nicht vielleicht ein Paar gewesen? Es wirkte eher nicht so, aber wer weiß – ich wollte niemanden stören. Und einen Moment später hatte ich diesen Mann auch schon wieder vergessen.

 

Aber dann, zwei, drei Wochen später, klingelte es abends an meiner Haustür. Ich war schon im Schlafanzug, wer war denn das? Ich kriegte so gut wie nie Besuch, schon gar nicht so spät. Ich öffnete die Tür und draußen in der Dunkelheit: stand der Fotograf mit dem himmlischen Geruch!

 

Er kam rein und diesmal sah er ganz anders aus: irgendwie so grau. Und fix und fertig. Er war im Streit von zuhause geflüchtet, und dann – hatte ihn irgendwas zu mir geführt! Er legte sich einfach gleich auf mein Sofa. Ich setzte mich in meinen Sessel und wir redeten eine Weile. Aber nicht lange. Denn dann stand er plötzlich auf und kam zu mir rüber. Er hockte sich hin und legte einfach seinen Kopf auf meinen Schoß – uuuh. Das alles fühlte sich einerseits soo merkwürdig an. Aber im selben Moment auch absolut richtig – und ich streichelte seinen Kopf. So saßen wir eine ganze Weile schweigend zusammen. Dann zog er mich auf das große Schaffell vor meinem Ofen und schon lagen wir eng umschlungen da – huh!

 

Das war Daniel und er und ich wurden ein Paar. Ich konnte kaum fassen, wie sehr sich mein Leben plötzlich von ganz allein verändert hatte! Wie meine Energie das alles so perfekt arrangiert hatte!

 

Bloß leider ging es Daniel seelisch sehr schlecht und nach ein paar Wochen konnte er nicht mehr mit mir schlafen, es ging einfach nicht. Aber dann war da noch etwas ganz anderes, das sich zwischen uns entwickelte – noch eine ganz andere Art von Intimität: Daniel musste ständig weinen. Immer wieder, jeden Tag. Irgendwie hatte sich da eine unendliche Traurigkeit in ihm angesammelt. Und jetzt, hier in meinem Bett, floss sie literweise aus ihm heraus. Ich machte nichts, außer ihn ganz warm und leicht an mich zu drücken. Mein Herz wurde so weich für Daniel und in meinem Arm hüllte ich ihn in eine dichte Liebeswolke, so viel und so lange er wollte. Ich spürte, wie sicher und heilsam der Raum war, den meine Liebe für ihn entstehen ließ. So lagen wir immer wieder zusammen, jeden Tag, über Wochen und Monate.

 

Das ist das Bild, das ich mit dieser Beziehung verbinde. Und obwohl da so viel Traurigkeit bei uns war, fühlte sich das alles trotzdem absolut richtig an. Ich war dankbar und erleichtert, dass Daniel überhaupt zu mir gefunden hatte: Ich wollte mir gar nicht vorstellen, dass diese vielen Tränen sonst noch länger in ihm geblieben wären.

 

Das Ende dieser Beziehung kam für mich ganz unerwartet, nur ein paar Monate später. Damals fühlte ich mich tief verletzt und verwirrt. Heute würde ich es so formulieren: Als Daniel sich ausgeweint hatte, verschwand er genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war. Er ging zurück in seine Ehe, die ein Albtraum gewesen sein muss – er hatte mir immer wieder davon erzählt. Genau dort hatten sich über die Jahre diese vielen Tränen in ihm aufgestaut. Mir brach seine Entscheidung das Herz, aber ich war schon immer davon überzeugt, dass „jemanden lieben“ bedeuten muss, dass man frei liebt: Ich muss dem Geliebten absolute Freiheit zugestehen – sogar dann, wenn er mit seiner Freiheit etwas macht, das auf mich völlig selbstzerstörerisch wirkt. Ich wusste, dass ich nichts mehr für Daniel tun konnte und ihn ganz loslassen musste. Und ich wollte jetzt auch gar keine Sekunde länger an seinem Leben teilhaben: Er war freiwillig zurück in sein abgrundtiefes Leiden gegangen und damit wollte ich überhaupt nicht in Berührung kommen und es auch nicht mit ansehen müssen. Und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich abzuwenden.

 

Ich zog mich also zurück und wie immer konnte ich all meinen Kummer nur zulassen. Und mitten in diesem so tiefen Schmerz wurde mir auf einmal selbst erst ganz klar, dass ich leben wollte. Das wusste ich plötzlich in dem Moment, als ich mich wieder an meine Vision erinnerte, auf die ich damals an meinem Küchentisch in Hannover gestoßen war. Und jetzt tat sogar diese Erinnerung weh, weil ich auf einmal sah, wie sehr sich meine Aufmerksamkeit in den letzten Monaten um Daniel gedreht hatte: So sehr, dass mein großer Traum völlig aus meinem Bewusstsein verschwunden war. Meine wunderschöne Vision, für die ich hier sein wollte – für die ich leben wollte.

 

Und da stoppte plötzlich alles: Denn in diesem Moment wurde mir klar, dass meine Energie genau das von mir eingefordert hatte: dass ich ihr zweifelsfrei zu verstehen gebe, dass ich leben will. Ich sah auf einmal, dass sie diesen klaren Auftrag von mir für meinen weiteren Weg brauchte – und genau diese Erfahrung hatte ihn zum Vorschein gebracht. Dieser Moment bewegte mich so tief. Es berührte mich so sehr, dass wie immer alles genau richtig und überhaupt nichts verkehrt gelaufen war. Und da wusste ich auch, dass der schlimmste Kummer jetzt hinter mir lag.

 

Und kurz darauf spürte ich sogar eine ganz leise Erleichterung: Denn Daniel konnte nie richtig mit mir schlafen. Ich hatte immer Mitgefühl und Verständnis für ihn gehabt – es wunderte mich nicht, weil es ihm einfach sehr, sehr schlecht ging. Aber jetzt atmete etwas in mir doch auf: Um dieses Problem brauchte ich mich nicht mehr zu kümmern. Ich konnte mir jetzt erst eingestehen, wie sehr es mich doch belastet hatte – die Sorge, ob sich das wohl jemals ändern würde? Ich hatte diese Gedanken verdrängt und jetzt war ich sehr erleichtert, dass sie mich nicht mehr beschäftigen mussten.

 

Und da konnte ich erst sehen, dass ich so bereitwillig auch auf diese Sache verzichtet hatte, von der ich doch eigentlich längst wusste, dass sie mein allergrößtes Heiligtum ist. Ich hatte also auch hier einen Teil von mir vergessen – noch einen soo wichtigen Teil! Für die Zukunft entschied ich: Sowas läuft nicht nochmal. Ich möchte richtig mit einem geliebten Partner schlafen können und ich bin nicht mehr bereit, darauf zu verzichten – dieser Kompromiss war viel zu groß gewesen. Ich spürte, dass meine Energie auch das registriert hatte. Und das Problem tauchte auch wirklich nie wieder auf. Und was als Nächstes Wundervolles in meinem Liebesleben passierte, das erzähle ich dir in meinem folgenden Blogbeitrag

Kommentar schreiben

Kommentare: 0