Mein Liebesleben

Give all to Love

Mein Liebesleben: meine persönlichen Erfahrungen mit meiner Sexualität

Da bin ich wieder. Und zwischendurch ging es mir wirklich überhaupt nicht gut. Aber dann konnte ich wieder meinen leichten Weg aufspüren, so dass endlich alles wieder Sinn ergibt. Jetzt weiß ich, dass ich weiterschreiben möchte in meinem Blog, aber es soll darin jetzt um ganz bestimmte Themen gehen, nämlich um Liebe, Beziehungen und vor allem: Sexualität. Ich bin mir selbst noch nicht ganz sicher, wohin das führen wird, aber genau so fühlt es sich gerade richtig an. Und nachdem mir das klar war, ist mir in der Besucherstatistik meiner Webseite etwas aufgefallen: Niemand besucht so viele weitere Unterseiten, wie diejenigen, die über meinen Artikel über meine Sexualität hierher gefunden haben. Diese Seite sticht also irgendwie heraus. Aber wenn ich darüber nachdenke, dann wundert mich das auch nicht: Unsere Sexualität ist doch der direkte Weg nachhause, zur Heimat unserer Seele. Und obwohl dieser Weg heute so zugemüllt und entstellt ist, kann sich trotzdem kaum jemand seiner magischen Anziehungskraft entziehen. Für mich ist das auch der Grund dafür, warum der Großteil des Internets aus Sex besteht.

 

In Liebesdingen habe ich so viel erlebt. Unmengen an Liebeskummer und viele, viele wunderschöne Momente. Und nie habe ich so sehr das Gefühl gehabt, mich weiter zu entwickeln und zu entfalten, wie dann, wenn es um die Liebe ging. Dafür bin ich immer hundertprozentig eingetaucht, egal wo die Liebe mich hingeführt hat. Es gibt dazu ein Gedicht von Ralph Waldo Emerson: „Give all to Love“. Es spricht mir so sehr aus der Seele, dass ich es mir schon vor vielen Jahren übersetzt und auf meine Webseite gestellt habe. Also wenn du genauer wissen möchtest, was ich über die Liebe denke: Lies dir dieses Gedicht durch – es ist wunderschön und ich könnte meine Art zu lieben nicht besser beschreiben.

 

Und jetzt möchte ich über meine eigenen Liebeserlebnisse und besonders über die Erfahrungen mit meiner Sexualität schreiben. Aber warum? – fragst du dich bestimmt. Wieso sollte jemand so etwas tun? Diese Frage hat mich selbst sehr gequält. Muss das wirklich sein? Sollte ich diese intimen Dinge nicht lieber für mich behalten? Aber das fühlte sich nur noch mehr verkehrt an. Weil meine Liebeserfahrungen nun mal meine intensivsten Erfahrungen waren. Sie gingen am tiefsten und nichts anderes hat mich so sehr gezwungen, mir bewusst zu werden, wer ich eigentlich bin. Ja, ich empfinde ein ganz warmes Gefühl für mich selbst, eine richtige Bewunderung dafür, wie ich mich auch vor Kummer nicht verschlossen habe, sondern ihn jedes Mal angenommen und gemeistert habe. Also selbst auf das, was für andere vielleicht verkehrt oder nach Scheitern aussehen könnte, möchte ich nicht verzichten. Diese Erfahrungen waren alle so kostbar für mich und deshalb möchte ich davon erzählen. Sie zurückzuhalten würde nur weiter genau diesen starken Druck in mir erzeugen, den ich befreien möchte.

 

Und noch was drängt mich zu diesem Thema: Es macht mich so traurig, wie normalerweise über Sexualität gesprochen wird. Meistens wirkt sie wie etwas Peinliches oder etwas Albernes oder Perverses. Und deshalb fühle ich mich fast dazu verpflichtet, auf meine Art davon zu erzählen: Denn wer sonst sollte Sexualität als etwas Heiliges und Wundervolles beschreiben, wenn nicht jemand, der sie genau so erlebt? Außerdem spüre ich, dass da noch weitere Erkenntnisse sind, die ich teilen möchte. Ich kann sie vielleicht erst viel später klar formulieren, aber fest steht: Vorab muss ich dir von meinen Liebeserfahrungen erzählen. Ich lasse dich also jetzt ganz nah an meiner Entwicklung teilhaben, so dass du alles gut nachempfinden kannst…

 

Mein Liebesleben fing erst relativ spät an. Vorher gab es eine kurze Phase mit jemandem, mit dem meine Freundinnen mich verkuppelt hatten, weil sie solches Mitleid mit mir hatten. Meinen ersten Zungenkuss fand ich so unromantisch, dass ich entsetzt war: Was soll denn an sowas schön sein? Andere können das gerne den ganzen Tag lang machen, aber ich möchte das bitteschön nie wieder erleben!

 

Aber dann, mit 17, traf ich Claudio. Er war früher mein Gitarrenlehrer gewesen und jetzt sahen wir uns auf einer Party wieder. Er war zwei, drei Jahre älter als ich und wir waren beide unglaublich schüchtern. Es dauerte wirklich ewig, bis wir zusammenkamen. Aber dann: Wurde es die leichteste und harmonischste Beziehung, die man sich vorstellen kann. Und bis heute habe ich nie wieder eine Beziehung erlebt, in der ich die ganze Zeit so eine Friedlichkeit und Zufriedenheit empfunden habe. Wir beide waren einfach immer gern in der Nähe des anderen. Und für uns beide war es das erste Mal, dass wir mit jemandem schliefen – nachdem wir schon Monate zusammen waren. Das war natürlich aufregend, und danach war und blieb es einfach nur schön. In meiner Erinnerung sehe ich uns ununterbrochen unglaublich friedlich miteinander: Alles in uns schien in Frieden, wenn wir zusammen waren.

 

Ich weiß noch, einmal sind wir zusammen mit einem befreundeten Paar verreist. Und diese beiden stritten sich den ganzen Urlaub lang jeden Tag von morgens bis abends. Ich sehe Claudios und mein Gesicht, wie wir uns innerlich wundern: So ein Verhalten war uns so fremd, da konnten wir gar nicht mitreden und nur verunsichert schweigen und weiter händchenhaltend daneben hocken – das Bild ist niedlich, wenn ich daran denke.

 

Unsere wunderschöne Beziehung hielt genau zwei Jahre lang. Und dann, ganz plötzlich, wollte ich nicht mehr. Ich hatte nach dem Abi ein Freiwilliges Ökologisches Jahr angefangen und auf einmal wartete ein ganz neuer Lebensabschnitt auf mich. Ich war zu neugierig auf neue Erfahrungen und es war, als ob diese Neugier meine Liebe für Claudio verdrängte. Und zum ersten Mal erlebte ich, dass mein Körper noch vor mir weiß, wenn es aus ist: Als wir das letzte Mal zusammen schliefen, war plötzlich der Zauber weg. Diese ganz besondere leise Freude und Beseeltheit, die immer dabei gewesen war – auf einmal fühlte es sich nur noch an, als ob zwei Roboter Sex haben würden. Da wusste ich, dass es vorbei war.

 

Es folgte meine Studienzeit und eine neue Beziehung. Und dann wieder eine neue und die: beförderte mich in den Himmel! Das war mit Holger und ich liebte ihn unendlich. Er war ganz wortkarg und ein Eigenbrötler. Besonders gefiel mir, dass sein Aussehen ihn anscheinend überhaupt nicht interessierte. Eher notgedrungen bat er mich irgendwann, ihm die Haare zu schneiden und danach: war er für mich der schönste Mann der Welt! Er machte immer einfach sein Ding und was alle anderen dachten oder machten schien ihm völlig schnuppe zu sein. Ich mochte ihn so, so sehr und bis zum Schluss musste ich ständig an ihn denken. In meiner Erinnerung dackelte ich ihm ununterbrochen hinterher wie ein Hündchen – wie ein sehr, sehr glückliches Hündchen.

 

In Holgers Nähe zu sein machte mich so froh, dass es sich immer so anfühlte, als ob mich jemand von innen durchkitzeln würde: Ich wurde albern und musste viel kichern und lachen und ließ mir ständig neue Spitznamen für ihn einfallen, über die ich nur noch mehr kichern musste. Einmal sprang Holger morgens aus dem Bett, um zum Bäcker zu gehen. Während er sich anzog, fragte er mich: „Was willst du für Brötchen?“ Ich überlegte kurz und antwortete dann: „Ich hätte gerne ein blondes Brötchen mit Nickelbrille“ – einfach nur ihn!

 

Auch mit ihm zu schlafen liebte ich. Und dann wollte ich nicht mehr kichern, sondern nur noch staunend schweigen. In dieser Sexualität mit Holger fiel mir zum ersten Mal auf, wie mein Verstand sich dabei komplett ausschaltete. Noch bevor es richtig losging, ganz kurz bevor wir uns berührten, war das auf einmal, als ob ich in eine Leere fallen würde. Und im nächsten Moment löste diese Leere sich auf in etwas viel Größerem, in dem es sowas wie „fallen“ überhaupt nicht mehr gab. Wie ein Wassertropfen, der sich in einem See auflöst. Ab diesem Moment, wenn mein Körper dahinschmilzt, bleibt in mir nur noch ein einziges Staunen und dieses unbeschreibliche Wunder begleitet bis heute meine Sexualität. Es gibt nur eine Ausnahme: Wenn eine Beziehung vorbei ist. Dann gibt es genau das nicht mehr und dieses letzte Mal fühlt sich für mich dann an wie „Robotersex“.

 

Aber zurück zu Holger. Etwas war auch schwer für mich in dieser Beziehung, nämlich dass er extrem verschlossen war. Dadurch war es oft schwierig für mich, ihm überhaupt nah zu sein. Unsere Beziehung dauerte fünf Jahre lang, aber erst nach bestimmt zwei Jahren hatte ich das Gefühl, dass wir wirklich ein Paar waren. Vorher bestand unsere Beziehung häufig darin, dass Holger vor mir flüchtete und ich versuchte, ihm wieder näher zu kommen. Und oft klappte das nur, indem ich ihn ewig lange ganz in Ruhe lassen musste. Und auch an unserer Intimität machte mich etwas traurig, das mit dieser Unnahbarkeit zu tun hatte: Wir waren nur dann zärtlich zueinander. Und ich meine wirklich nur dann. Wenn wir zusammen schliefen, musste ich mich hinterher sofort unter eine eigene Bettdecke verziehen. Holger wollte das so. Und ich machte mit.

 

Wahrscheinlich verliebte ich mich auch deshalb irgendwann in Nils, denn der kuschelte stundenlang mit mir – wow, wie schön war das denn! Erst trafen wir uns nur heimlich, als ich noch mit Holger zusammen war. Denn von ihm wollte ich mich nicht trennen, im Gegenteil: Ich liebte ihn immer noch genauso wie am Anfang und ich konnte mir nicht vorstellen, nicht für immer mit ihm zusammen zu bleiben. Aber es war wieder mein Körper, der gleich wusste, dass unsere Beziehung vorbei war: Seit ich Nils kannte, schlief ich nicht mehr gern mit Holger. Irgendwann musste ich ihm alles beichten und das verletzte ihn natürlich sehr. Aber ich weiß noch, dass ich mir sogar dann noch wünschte, dass das alles nur eine vorübergehende Störung war und ich bald wieder nur mit meinem geliebten Holger glücklich sein könnte.

 

Aber das passierte nicht und im Rückblick sehe ich so klar, dass meine Liebe in dieser Beziehung viel zu selten und viel zu wenig fließen konnte. So dass es wirklich gar kein Wunder war, dass meine Sehnsucht nach dem kuscheligen Nils nicht aufhören wollte. Und so fing mit ihm meine nächste Beziehung erst richtig an. Er war einfach zu kuschelig – ich erinnere mich an eine lustige Situation: Wir lagen seit Stunden eng umschlungen im Bett und guckten einen Film. Da umkrallte Nils mich plötzlich ganz fest und motzte: „Mensch! Jetzt komm endlich kuscheln!“

 

Diese Beziehung endete, weil Nils immer pleite war. Ich arbeitete schon beim Fernsehen und bezahlte so gut wie alles. Nach zwei Jahren reichte mir das und es war aus. Aber dann: versank ich zum ersten Mal in dunkelstem Liebeskummer. Ich vermisste Nils so sehr. Aber ich wusste, dass ich nicht zurück konnte: Seine Schnorrerhaltung hatte mich am Ende nur noch genervt – ich wollte das nicht mehr und unsere vielen Streits darüber hatten mich überzeugt, dass er sich nicht ändern würde.

 

Es gab also kein Zurück, so dass ich durch meinen Liebeskummer durch musste. Und daran wuchs ich – zum ersten Mal spürte ich, dass ich mich selbst verändern konnte und das fand ich unglaublich faszinierend und belebend. Überhaupt war ich seit zehn Jahren zum ersten Mal ohne Beziehung und das war ein ganz neues Lebensgefühl für mich. Es kam mir vor, als ob ich jetzt erst anfing, mich selbst wirklich kennenzulernen und nach einer Weile gefiel mir das, ich war glücklich mit mir. Außerdem gab es immer mehrere Menschen, mit denen ich ganz besondere Freundschaften hatte. Wenn ich jetzt an sie denke, geht mir sofort das Herz auf. Aber das war kein gemeinsamer Freundeskreis, sondern lauter einzelne Freundschaften. Mit diesen lieben Menschen unterhielt ich mich stundenlang sehr ehrlich und persönlich und in meiner Erinnerung gab es in dieser Zeit eigentlich nichts anderes als diese so intensiven und intimen Gespräche. Eine Liebesbeziehung vermisste ich überhaupt nicht. Aber was ich vermisste, war Sexualität. Damals hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es irgendwie nicht richtig war, länger darauf zu verzichten. Als wäre ich es mir selbst schuldig, regelmäßig für diese wunderschönen Momente zu sorgen. Und mein größter Kummer nach der Beziehung mit Nils war, dass ich mir nicht vorstellen konnte, jemals wieder jemanden zu finden, der so dermaßen kuschelig war. Aber irgendwann entspannte ich mich doch und war bereit für was auch immer als nächstes passieren wollte. Und das war Tom.

 

Tom und ich – vom ersten Tag an verbrachten wir ein halbes Jahr lang so gut wie nur im Bett. Meine Sorge um zu wenig Kuscheligkeit hatte sich also erledigt. Wir beide klebten aneinander, wir waren ununterbrochen eng umschlungen und meistens ganz nackt: Wenn ich an Tom denke, denke ich an „meine nackte Beziehung“. Nachts schliefen wir aneinander gelöffelt und rollten uns synchron auf die andere Seite. Ich arbeitete kaum, weil mir kein Grund einfiel, warum ich das mehr als nötig machen sollte, wenn ich doch stattdessen diese wundervolle Zweisamkeit genießen konnte.

 

Irgendwann, nach vielen Monaten, lösten wir uns ein kleines bisschen voneinander. Und dann passierte etwas, das mich extrem verstörte: Tom schlief mit seiner Exfreundin. Uh. Das war ein Schlag. Es ging mir nicht um diese andere Frau und ich war noch nicht mal eifersüchtig. Aber ich war so irritiert, wie Tom dazu in der Lage gewesen sein konnte? Ich selbst war doch so übervoll mit unserer wunderschönen Liebe – warum war in ihm noch Platz für eine weitere Liebe? Ich weiß noch, dass mir damals zum ersten Mal klar wurde, dass meine Partner etwas ganz anderes als ich in unserer Sexualität erleben könnten. Und je genauer ich hinschaute, desto mehr fiel mir auf, wie unterschiedlich Tom und ich doch waren. Jetzt sah ich erst, wie wenig Selbstvertrauen er eigentlich hatte. Ich wurde immer nachdenklicher und am Ende erholte sich unsere Beziehung auch nicht mehr von diesem Wendepunkt, so dass sie nicht mal ein Jahr hielt.

 

In der Zeit danach gab es noch ein paar kurze Beziehungen, nur für ein paar Wochen oder Monate. 2006 erlebte ich dann diese magische Begegnung mit meinem seelischen Ich, meine Schmerzen fingen an und ein paar Jahre später zog ich aufs Land. Dort lernte ich Stefan kennen und wir wurden ein Paar. Das war allerdings eine sehr merkwürdige Beziehung, bei der sich heute noch meine Stirn runzelt, wenn ich daran denke. Sie war so ganz anders als alle anderen…  

 

Das Ungewöhnlichste daran war für mich, dass ich nicht gerne mit Stefan schlief. Ja, ich hatte sogar das gleiche Robotergefühl dabei, das ich eigentlich nur kannte, wenn mein Körper mir sagte, dass eine Beziehung vorbei war. Ich verstand mich selbst nicht mehr. Manchmal trennte ich mich, aber früher oder später waren wir doch wieder zusammen.

 

Aber es war auch Stefan, der mit mir die Nacht im Zelt an unserem idyllischen Flussufer verbrachte: die Nacht meiner Erleuchtung. Ich erinnere mich: In diesem erleuchteten Zustand war ich so voller Freude! Ich genoss einfach alles an diesem Campingabend wie noch nie irgendwas vorher. Und als wir dann spät nachts ins Zelt krochen, wurde mir klar, dass ich gerne mit Stefan schlafen wollte. Ich wunderte mich selbst, weil es mir mit ihm sonst wirklich nie so ging. Aber jetzt – wollte ich. Allerdings hatte das, was ich wollte, nichts mit dem Sex zu tun, den ich bisher mit Stefan kannte. Denn seine Art war mir oft richtig unangenehm. Er wirkte für mich irgendwie nicht authentisch, als ob er nie wirklich nackt wäre. Als ob er einen perfekten Liebhaber spielte, wie er ihn sich vorstellte. Dazu machte er manchmal Kommentare, mit denen ich mich noch unwohler fühlte.

 

Was ich dagegen jetzt da in unserem Zelt wollte, war etwas ganz anderes: Ich wollte Stefan lieben. Aber sofort kam Widerstand in mir auf. Ich wollte ihn so lieben, wie ich es wollte – und nicht in seiner Art. Ja, in dieser wunderschönen Nacht meiner Erleuchtung wollte ich Stefan wirklich lieben – und nicht diesen Sex erleben, der mir so gekünstelt vorkam. Deshalb überlegte ich, ob ich es nicht einfach sein lassen und mein Bedürfnis ignorieren sollte. Einfach schnell einzuschlafen. Aber ich war noch so erfüllt von meinem Erleuchtungsbewusstsein, dass mir plötzlich eine andere Idee kam – ich bestimmte einfach: Stefan wird heute die Klappe halten. Ich will keinen Mucks von ihm hören. Sollte er es wagen, auch nur den Mund aufzumachen, werde ich ihm notfalls eine knallen, so dass er ruhig ist.

 

Einerseits meinte ich das wirklich so. Aber genau deshalb wusste ich, dass das gar nicht nötig sein würde. Ich spürte, dass diese intensive Bestimmtheit, die mich auf einmal erfüllte, reichen würde. Ich wollte Stefan lieben. Ihn wirklich tief berühren und meine Liebe fließen lassen. Und ich war einfach nicht bereit zu dulden, dass er mir diese Erfahrung kaputt machte.

 

Stefan muss diese Klarheit gespürt haben, denn er war wie verwandelt: Er sagte keinen Ton und ließ einfach zu, dass ich ihn auf meine Art liebte – zärtlich, leise, weich, langsam, sanft. Er selbst machte überhaupt nichts. Er war ganz passiv und empfing nur. Es war wunderwunderschön. Beseelt und heilig. Hinterher konnte ich gar nicht aufhören, Stefan zärtlich zu berühren.

 

Aber der wurde bald müde und schlief ein. Das tat weh. Und in diesem Moment sah ich auf einmal glasklar, dass zwischen uns Welten lagen, wenn es um Liebe und Zärtlichkeit ging. Es reichte aus dafür, dass diese eine Nacht wunderschön gewesen war. Aber jetzt wusste ich, dass ich ganz andere Liebespartner brauchte, wenn ich mein eigenes Liebespotenzial wirklich ausleben wollte. Diese Erkenntnis fühlte sich ganz erleichternd für mich an: Ich konnte endlich aufhören zu versuchen, Stefan oder mich zu verändern. Ich konnte aufhören, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was wir bloß falsch machten.

 

Diese „erleuchtete“ Sexualität mit Stefan blieb eine einmalige Ausnahme. Danach war alles wie vorher: Ich atmete auf, wenn er keine Lust hatte. Nach zwei Jahren hatte ich das niedliche kleine Häuschen entdeckt. Bevor ich einziehen konnte, musste ich es wochenlang renovieren. Mit Stefan fühlte ich mich immer unwohler und wir stritten uns ständig. Es gab wenig gemeinsame Zeit und stattdessen nur Nächte, in denen ich hoffte, dass wir nicht zusammen schlafen würden – was war denn das bitteschön für ein totaler Murks?

 

Aber dann passierte etwas. Das so kostbar war, dass ich bis heute denke: Allein für diese Erfahrung hat sich der ganze Frust gelohnt. Es war ganz kurz vor meinem Einzug in das Häuschen. Alles war fast fertig und als ich nochmal allein in den leeren Räumen war, kriegte ich einen richtigen Nervenzusammenbruch. Wie schon so oft hatte Stefan mich versetzt und ich war es so leid. Ich konnte nur noch weinen und meine Schmerzen quälten mich. Weil noch keine Möbel da waren, legte ich mich zusammengekrümmt auf den nackten Holzfußboden und ließ meine Tränen einfach laufen. Ich war so unglücklich mit dieser Beziehung und ich verstand nicht, wieso ich diesen Mann nicht einfach auf den Mond schießen konnte? Ich spürte, dass das aus irgendeinem verhexten Grund nicht ging. Ich konnte hundertmal sagen: „Es ist aus.“ Und gleichzeitig merkte ich an meiner eigenen Stimme, dass das überhaupt keine Bedeutung oder Wirkung hatte. Was war das nur für ein Scheiß?! Ich dachte: Da habe ich jetzt dieses traumhafte Häuschen gefunden und freue mich so sehr auf meinen neuen Lebensabschnitt hier – aber ich kann doch niemals irgendwas davon genießen, wenn ich bis an mein Lebensende diesen ungeliebten Menschen an der Backe habe! Mit dem ich noch nicht mal schlafen oder ihn auch nur küssen will! Ich weinte und weinte und war unendlich traurig und verzweifelt. Wenn es mir bisher nicht gelungen war, diese Beziehung zu beenden – wie sollte das jemals klappen? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es überhaupt eine Lösung für dieses merkwürdige Problem geben könnte. Lange weinte ich da auf dem Fußboden leise vor mich hin. Irgendwann wurde ich etwas ruhiger und da – wurde es auf einmal ganz still in mir. Und aus dieser Stille heraus hörte ich plötzlich meine eigene Stimme zu mir sprechen:

 

Mareike, du möchtest nicht mehr mit Stefan zusammen sein? Na aber das ist doch nun wirklich überhaupt kein Problem. Wirklich: nichts leichter als das. Mach dir keine Sorgen.

 

Mehr nicht. Aber sofort stoppten meine Sorgen. Und der ganze Kummer fiel von mir ab, meine Schmerzen lösten sich auf und ich wusste plötzlich ohne einen Zweifel: Ich werde nicht bis an mein Lebensende mit Stefan zusammenbleiben müssen. Und auf einmal hatte ich auch überhaupt keine Lust mehr, mir Gedanken darüber zu machen. Ich sprang auf und erledigte die letzten Vorbereitungen für meinen Umzug.

 

Abends ging ich joggen und kurz bevor ich wieder zuhause war, traf ich zwei Spaziergänger auf der Straße, sie guckten sich dort irgendwas an – einen Frosch? Ich blieb stehen und unterhielt mich mit ihnen. Vor allem mit dem Mann. Es war nur ein ganz kurzer Plausch und schon lief ich weiter nach Hause. Aber da spürte ich auf einmal etwas, das mich total verblüffte: Diesem Mann nur die paar Minuten ins Gesicht zu schauen – hatte mich von Stefan geheilt! Mir war klargeworden: Das war ein waches und klares Gesicht eines erwachsenen Menschen. So muss es sich für mich anfühlen, meinen Partner anzuschauen – und von allem, was sich weniger leicht anfühlt, habe ich die Schnauze voll: Das will ich nie wieder erleben.

 

Ich wusste noch nicht so recht, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen sollte, sie fühlte sich einfach nur gut an. Aber als Stefan am nächsten Tag zum Helfen beim Umzug auftauchte, spürte ich gleich, als ich ihn sah, dass es aus mit uns war – und diesmal endgültig. Und so war es. In diesem Moment endete das, was ich als „meine merkwürdige Beziehung“ in Erinnerung behalte. Und meine aufregende Zeit in dem kleinen Häuschen mit dem riesigen Garten ging los. Und so viel verrate ich jetzt schon: Sie fing an mit fast sieben Jahren ganz ohne Liebesleben – es gab absolut keins. Keinen Flirt, keine Affäre, keinen Kuss, keine Berührung mit irgendeinem Mann. Und als dann wieder die Liebe in meinem Leben auftauchte, war alles völlig anders als vorher. Und davon möchte ich dir in meinem nächsten Blogbeitrag erzählen.

 

  

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Kommentare: 4
  • #1

    Katharina (Mittwoch, 15 Februar 2023 14:14)

    Liebe Mareike,
    Nun bin ich aber gespannt wie ein Flitzbogen auf die Liebe deines Lebens ��

  • #2

    Mareike (Mittwoch, 15 Februar 2023 14:29)

    Ganz zu Recht, liebe Katharina - stay tuned!

  • #3

    Luisa (Mittwoch, 15 Februar 2023 19:24)

    Hurra, was für eine grandiose Erzählung!! Ich freue mich riesig darüber, dass du deine Erfahrungen und dein Wissen in diesen Themen teilst. Und dass du wieder auf deinen leichten Weg gestoßen bist. Das gibt mir sehr viel Hoffnung. Danke!

  • #4

    Mareike (Mittwoch, 15 Februar 2023 19:26)

    Und ich freue mich riesig, dass ich dich endlich wieder hier sehe, liebe Luisa! Danke!