Was, wenn alles richtig ist?

Ich habe heute einen älteren Tagebucheintrag wiederentdeckt. Er ist so schön und beruhigend, dass ich ihn hier teilen möchte:  

 

Was, wenn ich gar nichts falsch mache?

 

Wenn mit mir alles völlig richtig ist und gar nichts verkehrt?

 

Wenn es absolut normal und natürlich ist, dass ich mich im Moment so schrecklich fühle? Weil irgendwas los ist, das ich bloß grad nicht sehen kann?

 

Was, wenn es ganz natürlich und angemessen ist, dass ich solche Schmerzen habe?

 

Und dass ich spätestens nach einer Stunde auf den Beinen total erschöpft zusammenbreche und nichts mehr geht?

 

Dass ich mich über nichts freuen kann?

 

Dass ich nicht weiß, was ich will?

 

Dass ich nicht weiß, was ich hier soll?

 

Dass ich keinen Kaffee mit Ute trinken will?

 

Was ist, wenn das alles ganz natürlich ist?

 

Was ist, wenn ich gar nichts verkehrt mache? Wenn in Wahrheit alles richtig ist und es für mich gerade nur so wirkt, als ob irgendwas nicht in Ordnung wäre? Wenn ich diese Möglichkeit in Betracht ziehe, dann wird alles gleich ein bisschen leichter. Die Vorstellung fühlt sich beruhigend an und ich entspanne mich. Alles weitet sich und jetzt bin ich sicher, dass es wirklich die Wahrheit ist – irgendwas ist einfach los, ohne dass es mir bewusst ist. Ich kann es grad nicht sehen, aber mit meinen Gefühlen ist überhaupt nichts verkehrt. Einfach weil es unmöglich ist, dass mit mir irgendwas nicht stimmt.

 

Es muss ganz natürlich sein, dass ich mich so fühle. Und es wäre unnatürlich, wenn ich mich anders fühlen würde. Wenn ich das ganze Bild sehen würde, wüsste ich: Es ist absolut natürlich, dass ich mich nur verkriechen will.

 

Es ist ganz normal, dass mein Körper sich verkrampft.

 

Es ist ganz normal, dass meine Gedanken rasen.

 

Dass in mir Panik ist.

 

Dass ich mich völlig verwirrt und verloren fühle.

 

Dass ich nicht vor die Tür gehen will.

 

Dass ich mich so schutzlos und schwach fühle.

 

Dass ich mich so energie- und leblos fühle.

 

Dass ich Angst vor der Zukunft habe.

 

Auch dass keiner anruft.

 

Dass ich mich selbst vermisse.

 

Dass ich so verzweifelt und traurig bin.

 

Es ist überhaupt nicht meine Aufgabe, mich anders zu fühlen. Das kann ich gar nicht. Das würde von mir Wissen und Fähigkeiten und Kräfte verlangen, die ich gar nicht habe und auch nicht haben kann. Es ist also okay, dass ich mich gerade total scheiße fühle. Wenn ich sehen könnte, was da gerade wirklich mit mir passiert, dann wüsste ich: Mich so zu fühlen ist absolut angemessen. Ich kann also aufhören zu versuchen, irgendwas daran zu ändern. Ich darf mich einfach so schlecht fühlen, wie ich mich nun mal fühle. Ich kann diesen ganzen schrecklichen Zustand ruhig zulassen.

 

Ich weiß, dass da ein Teil von mir die ganze Zeit den totalen Durchblick hat. Der unseren Weg genau kennt und dafür sorgt, dass wir immer haargenau da sind, wo wir sein sollten. Ich kenne diesen Weg nicht, aber ich brauche ihn auch gar nicht zu kennen. Ich überlasse das Lenkrad dieser größeren Version von mir. Sie weiß Bescheid, sie kennt sich perfekt aus. Wenn ich ihr aus dem Weg gehe, dann kann alles ganz natürlich wieder ins Gleichgewicht kommen.

 

Ich lasse los. Ich lasse mich fallen in diese Hölle, weil es nicht meine Aufgabe ist, mich davor zu bewahren. Am Ende wird doch alles gut und dann wird auch das hier alles Sinn ergeben. Im Moment braucht es gar keinen Sinn ergeben. Ich kann einfach loslassen. Ich lasse los.

   

 

Nächster Blogbeitrag ➔