Lass es einfach zu
Die Kündigung meiner Wohnung war ein Schock für mich. Ich war doch so froh gewesen, dass ich endlich aus der Stadt raus war und dieses wunderschöne neue Zuhause gefunden hatte. Aber vor allem: Ich hatte die ganze Zeit diese schrecklichen Schmerzen. Ich wollte nicht wieder auf Wohnungssuche gehen müssen. Diese Vorstellung haute mich um, ich war wie gelähmt. Und dann meine Beziehung mit Stefan. Sie ging schon fast zwei Jahre und sie war nur noch frustrierend für mich. Ich versuchte immer wieder, sie zu beenden, aber irgendwie klappte das einfach nicht und ich verstand nicht, wieso.
In den folgenden Wochen lag ich in meiner Erinnerung so gut wie nur im Bett. Ich war wie erschlagen, alles war mir zu viel, ich wollte nichts mehr entscheiden müssen. Und ich wusste: Wenn ich umziehen würde, dann müsste das weit weg sein, damit ich endlich aus dieser gestörten Beziehung loskommen könnte. Aber wohin? Und wie – ich hatte kein Auto? Aber eigentlich war das auch egal, weil ich mich sowieso nicht bewegen konnte. Die meiste Zeit konnte ich nur noch eins: schmerzgekrümmt im Bett liegen und akzeptieren, dass mir im Moment nun mal nichts anderes möglich war. Irgendwann ergab ich mich und versuchte erst gar nicht mehr, irgendwas zu bewirken.
Und daraufhin folgte ein faszinierender Prozess. Währenddessen fand ich ihn zwar fast durchgehend höllisch, aber im Rückblick war er eigentlich wunderschön. Denn Stück für Stück kam mir mein neues Zuhause näher – während ich wochenlang fast nur im Bett lag. Mit der Zeit erkannte ich ein Muster in dem, was mit mir passierte: Immer wieder quälten mich schreckliche Ängste. Und weil ich keine Kraft mehr hatte, ließ ich mich davon überschwemmen. Und genau dadurch, dass ich sie ganz bewusst durchlebte, lösten sie sich früher oder später auf. Immer in einem tief bewegenden Aha-Moment, in dem ich sah, dass ich genau auf meinem Weg war und meinem neuen Zuhause wieder ein Stück näher gekommen war. Hier ein paar Beispiele für diese inneren Verwandlungen:
Als erstes wurde mir klar, dass ich nicht weit wegziehen bräuchte. Denn in so einem plötzlichen klaren Moment spürte ich, dass ich Stefan einfach loslassen konnte, wenn ich mich stattdessen auf mich und meine Träume konzentrierte. Das war eine große Erleichterung: Ich könnte also immerhin mit meinem Fahrrad auf Wohnungssuche gehen. Und sogar meine idyllische Joggingstrecke bräuchte ich nicht aufgeben.
Dann guckte ich mir zwei, drei Wohnungen an. Und auch das schien alles zu diesem Prozess, zu diesem Muster, das ich beobachtete, dazu zu gehören. Denn jedes Mal fiel ich hinterher wieder in tiefste Depressionen. Weil die Wohnungen alle so deprimierend waren. Und indem ich diesen Frust durchlebte, klärte sich nach und nach, was ich stattdessen wollte. Aber nicht so, wie ich früher schonmal Listen gemacht hatte, wie mein perfektes Zuhause aussehen sollte. Nein, das waren Wünsche, die mein Verstand formuliert hatte, aber jetzt passierte etwas völlig anderes: Mir wurde bewusst, was ich wollte und gleichzeitig spürte ich, wie ich nun von ganzem Herzen zuließ, dass es in mein Leben kommen durfte. Ich spürte, dass meine Energie mir jetzt glaubte, dass ich dafür bereit war – dass ich ihr endlich die Tür aufgemacht hatte.
Auf diese Art wurde mir klar, dass ich nie wieder mit einem Vermieter im selben Haus wohnen wollte. Meine jetzige Vermieterin war nämlich nicht die erste, die so fies zu mir war, sondern bisher waren so gut wie alle meine Vermieter ganz schrecklich gewesen. Dann wurde mir klar, dass ich mit überhaupt niemandem mehr ein Haus teilen wollte, sondern eins ganz für mich allein haben wollte. Ich guckte mir einige an, aber sie waren riesig. Da wusste ich, dass mein Haus klein sein musste: Es sollte nicht mehr Platz haben als ich bewohnen wollte. Und zum Schluss, als ich noch ein, zwei sehr hässliche Häuser angeschaut hatte, wusste ich: Mein neues Zuhause muss irgendwie charmant sein. Es soll Charakter haben – es soll hübsch und freundlich und gemütlich sein.
Wenn ich ganz selten mal zum Einkaufen oder zum Laufen draußen war, erzählte ich jedem, den ich traf, was ich suchte. Und von allen hörte ich dasselbe: „Ach nee, das ist ja sehr originell. Mareike, vergiss es: Sowas sucht doch jeder, das wirst du hier weit und breit nirgendwo finden.“ Im ersten Moment nervten mich diese negativen Kommentare. Aber als ich dann kurz darauf wieder gequält in meinem Bett lag, wurde mir klar, dass diese Leute nur das ausgesprochen hatten, was ich selber glaubte: Dass ich niemals so ein Häuschen finden könnte. Ich war also doch wieder ganz am Anfang und schon versank ich wieder in depressiver Dunkelheit.
Aber mit der Zeit machte mir das nicht mehr solche Angst. Denn ganz leise hatte etwas in mir angefangen, dem, was mit mir passierte, zu vertrauen. Also ließ ich auch jetzt wieder alles zu – meine Hoffnungslosigkeit, meine Lebensmüdigkeit, meine Ängste, meine Traurigkeit. Und nach einer Weile kam mir ein Gedanke, der zumindest ein kleines bisschen heller wirkte als der ganze übrige Horror. Ich dachte: Glaube ich eigentlich, dass es grundsätzlich nirgendwo so ein Haus gibt oder glaube ich nur, dass es das für mich nicht gibt? Da wurde mir klar, dass ich mir sicher war, dass zwar wenige, aber doch zumindest ein ganz paar Häuser hier in der Umgebung existieren mussten, die mir gefallen würden. Und dann spürte ich diesen Impulsen weiter nach.
Okay, solche niedlichen kleinen Häuschen gibt es also. Wer wohnt denn eigentlich da drin? Ich stellte mir vor, was das für Menschen sein könnten, die so ein beneidenswertes Zuhause hatten. Ich sah sie dort leben und spürte nach… Hm, das waren eigentlich ganz normale Leute, die einfach Glück gehabt hatten – es waren halt Glückspilze. Und in dieser Sekunde wusste ich plötzlich: Moment mal – ich bin ein Glückspilz! Ich wusste das nicht, weil ich auf einmal irgendwelche „Glückspilz-Eigenschaften“ an mir entdeckt hatte, sondern weil mir einfach nichts einfiel, was dagegen sprach, dass ich ein Glückspilz sein könnte. Einfach so: Ich bin ein Glückspilz – denn wieso auch nicht?
In diesem Moment spürte ich, dass dieser klärende Prozess, durch den ich gegangen war, abgeschlossen war. Dass ich sozusagen „meine Hausaufgaben erledigt“ hatte. Jetzt konnte ich nichts mehr tun. Und ich spürte das auch noch an etwas anderem: Immer, wenn es mir einigermaßen gut ging, hatte ich angefangen, meine Umzugskisten zu packen. Inzwischen war das meiste schon verpackt, obwohl es noch bestimmt sechs Wochen bis zu meinem Kündigungstermin waren. Aber jetzt dachte ich auf einmal ganz praktisch: Ich will jetzt was Neues haben – ich will endlich wissen, wohin mit diesen ganzen Kisten.
Abends ging ich joggen und als ich schon fast wieder zuhause war, begegnete ich einem Spaziergänger, den ich schon öfters gesehen hatte. Es war ein älterer Herr und noch bevor ich darüber nachdenken konnte, sprach ich ihn aus einem spontanen Impuls heraus an: „Entschuldigung, darf ich Sie was fragen? Sie gehen doch öfters hier in der Gegend spazieren. Wissen Sie vielleicht, ob es hier irgendwo ein kleines Häuschen zu vermieten gibt? Ich muss nämlich ausziehen.“ Er überlegte kurz und meinte dann: „Nein, da müssten Sie vielleicht mal in die Zeitung gucken, tut mir leid.“ Er ging schon wieder weiter – aber dann drehte er sich doch nochmal um: „Achso, das hatte ich jetzt vergessen: Bei mir gegenüber steht schon länger so ein kleines Häuschen leer, da könnten Sie vielleicht mal fragen.“ Er sagte mir die genaue Adresse und den Namen dieser Nachbarin und weil es nicht weit war, lief ich gleich hin.
Und in diesem Moment hatte ich mein niedliches kleines Häuschen gefunden. Die Besitzerin war meist im Ausland, aber es war ganz einfach, ihre Nummer rauszufinden und noch am selben Abend rief ich sie an. Sie wollte das Haus eigentlich überhaupt nicht vermieten, weil sie es selbst nutzte, wenn sie doch ganz selten mal hier war. Trotzdem nannte ich ihr meine Webseite, auf der damals kaum etwas stand, aber immerhin gab es ein Foto von mir. Ein paar Tage später rief sie mich wieder an. Ich hatte wohl wirklich genau den richtigen Moment erwischt, denn meine Nachfrage hatte sie nachdenklich gemacht: Sie war jetzt doch zu dem Schluss gekommen, dass sie mir das Häuschen gerne vermieten wollte. Wow – wie unglaublich wundervoll war das?! Ich war überglücklich! Sie sagte mir, wo ich den Schlüssel finden würde, wir klärten alle offenen Fragen – und sechs Wochen später zog ich wirklich dort ein!
Dann lernte ich auch meinen Nachbarn Malte kennen und er fragte mich gleich als erstes, wie ich das denn bitteschön geschafft hätte? Denn er wohnte schon seit Jahren dort und hatte immer wieder bei der Besitzerin nachgefragt, ob sie das Häuschen nicht vermieten wollte, weil viele seiner Freunde so gerne dort eingezogen wären. Und eine andere befreundete Nachbarin sagte mir später: „Mareike, jeder, der hier die Straße lang kommt, denkt: Oh, wie gerne würde ich in diesem romantischen kleinen Häuschen wohnen – ist dir das eigentlich klar?!“ Wow, deutlicher hätte sie es wohl nicht sagen können: Ich bin ein Glückspilz!
Mein neues Zuhause war schon die ganze Zeit da gewesen – nur 500 Meter weg von mir! Aber es konnte nicht in mein Leben kommen, solange ich es noch mit diesen vielen Überzeugungen und Ängsten von mir ferngehalten hatte. Meine Schmerzen zwangen mich, mich mit ihnen auseinanderzusetzen und sobald sie aufgelöst waren – ja, wirklich noch am selben Tag! – kam mein Traumhäuschen in mein Leben. Oben siehst du es auf dem Foto (Anke und Gerd – das ist doch bestimmt okay, oder?).
Und auch wie es mit Stefan und mit meiner schrecklichen Vermieterin weiterging, will ich hier noch auflösen: Wie meine Zeit mit Stefan am Tag meines Umzugs endgültig endete, habe ich ja schon in meinem Blogbeitrag Mein Liebesleben erzählt. Und meine Vermieterin wurde sogar noch viel kranker, sie hatte mehrere Schlaganfälle, zog in ein Pflegeheim und starb da zwei, drei Jahre später. Und sie blieb wirklich meine letzte fiese Vermieterin: Meine neue Vermieterin war nicht nur sehr, sehr weit weg, nämlich im Ausland. Sondern noch dazu mochten wir uns richtig gerne. Bei all meinen Ideen für das kleine Häuschen und den Garten unterstützte sie mich immer ohne zu zögern. Und nachdem ich die Grenzsteine ausgebuddelt hatte, erließ sie mir sogar eine Monatsmiete – „als kleines Dankeschön an die Vermessungsingenieurin.“
Ah, jetzt bin ich froh, dass ich das hier alles aufgeschrieben habe. Weil es wirklich perfekt deutlich macht, wie unsere Energie zu uns steht und wie sie funktioniert: Wenn du absolut alles zulässt, was sich in diesem Moment in dir zeigt, dann wirst du sofort mit dem konfrontiert, was dich noch von deinem Glück trennt. Lass es zu und geh mitten durch – denn auf der anderen Seite erwartet dich das, was du dir schon immer gewünscht hast, ohne dass dir das überhaupt bewusst war.
Zum Abschluss möchte ich noch von dem letzten Geschenk erzählen, das meine Energie auf genau diesem Weg in mein Leben gebracht hat. Das war gestern in einem Coaching. Hinterher fragte mich mein Klient, ob ich eigentlich schon mal darüber nachgedacht hätte, aus meinem Blog ein Buch zu machen. Ich antwortete ihm, dass ich meinen Blog genau dafür neulich wochenlang überarbeitet hatte, aber dass ich danach keine Lust gehabt hatte, mich weiter darum zu kümmern: Die Vorstellung hatte sich einfach nicht leicht angefühlt, also hatte ich sie nicht weiter verfolgt. Mein Klient erzählte mir, wie sehr meine Texte ihn angesprochen und berührt hatten und wie oft er sich selbst darin wiedergefunden hatte. Und dass er sicher war, dass sie sehr, sehr vielen Menschen guttun würden. Und dann – ich kann es jetzt noch kaum glauben – fragte er mich: „Mareike, erlaubst du mir, dass ich aus deinem Blog ein Buch mache und es in der Welt verbreite? Ich kenne mich damit aus. Anfangs bräuchte man ein bisschen Geld, aber darum brauchst du dich nicht zu kümmern, das übernehme ich.“
Oh nein, das kann doch nicht wahr sein! Dass es so einfach geht! Und dann kam dieses Angebot auch noch von so einem Menschen: Ich hatte sofort ein zweifelsfreies Gefühl, dass ich ihm blind vertrauen konnte. Dass es ihm genau wie mir nicht ums Geld ging, sondern darum, meine Erkenntnisse möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Und dann diese Frage – „erlaubst du mir…“ – es war einfach unmöglich, dazu nicht laut und deutlich Ja zu rufen! Ja, unbedingt!!!
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Stefanie (Donnerstag, 10 August 2023 18:02)
Liebe Mareike, das ist wieder so ein wundervoller Text, der mich sehr berührt (inkl. des ersten Teils :-)).
Gerade als ich den Glückspilz-Abschnitt lese, kommt meine Tochter um die Ecke und hat zwei Steine in der Hand: einen mit einem Kleeblatt, den anderen mit einer Pusteblume und dem Wort 'Wish' drauf. Beide in grün gestaltet...
Hat sie soeben gefunden. Ich finde sie so schön, dass ich Dir ein Foto per Mail schicken werde.
Zudem hat sie heute ein T-Shirt an, auf dem 'Just be happy' steht.
Ich bin ganz fasziniert...
Herzliche Grüße,
Stefanie
Mareike (Donnerstag, 10 August 2023 22:20)
Liebe Stefanie,
ooooh, du bist es mal wieder, ich freue mich so! Danke für deine Rückmeldungen! Und dein Foto ist schon da - WOW, das sind aber wirklich echte Glückspilz-Steine, wie unglaublich passend!
Alles Liebe zu dir!