Annehmen statt anstrengen
Alle wunderschöne Klarheit ist schon wieder futsch, als ob sie nie dagewesen wäre. So dass alles wieder schwer und depressiv und anstrengend ist. Aber zwischendurch wundert es mich gar nicht, dass es so läuft. Denn dann verstehe ich erst, was das eigentlich genau ist, was ich gerade erlebe. Es geht nicht mehr darum, mein Leben ein kleines bisschen besser zu machen oder einfach nur ein kleines bisschen Glück zu finden, nur gerade eben genug. Nein, es geht um etwas Grundsätzliches, um eine wirklich umwälzende Veränderung. Nämlich darum, alle meine Energie für mich arbeiten zu lassen. Alle Liebe und Freude, die sie mir schenken möchte, anzunehmen. Es ist nicht möglich, nur ein bisschen davon zu erlauben, denn es geht nur ganz oder gar nicht, weil es zwei völlig unterschiedliche Prinzipien sind, die nicht gleichzeitig gelebt werden können. Und ich habe nun mal das Neue gewählt, das weiß ich ganz sicher: Ich bin hierhergekommen, um ein völlig anderes, neues Bewusstsein hierher zu bringen.
Und das funktioniert nicht theoretisch. Es hat überhaupt keinen Wert, nur davon zu reden oder darüber nachzudenken, ohne es wirklich selbst zu erleben. Ich wollte hier sein und es in meinem Leben erfahren. Zum einen, weil es an sich schon so wunderschön ist. Aber ich wollte mit meinem Hiersein in diesem neuen Bewusstsein auch die Welt mit etwas Neuem bereichern. Mit etwas, das so viel zurechtrücken könnte, was sich verkrampft und selbst eingesperrt hat. Ich wusste, dass ich mit diesem Neuen nur ein Angebot machen könnte und dass es am Ende jeder Mensch selbst für sich wählen müsste. Aber ich wusste auch, dass es anderen ein bisschen leichter fallen könnte, wenn sie jemanden sehen würden, der es schon verwirklicht hat. Und so jemand wollte ich sein. Ich wollte meinen Plan ganz durchziehen, ohne Kompromisse: Indem ich die alte, anstrengende Art zu leben ganz loslasse und mir diese völlig neue Art zu sein erlaube.
Aber obwohl das so wunderschön klingt, ist es wirklich schwer für mich, aua. Denn alles, was ich erlebe, wird durch meine Schmerzen so viel intensiver. Sobald ich auch nur darüber nachdenke, mich anzustrengen, wird das sofort unerträglich schmerzhaft für mich, so dass es einfach überhaupt nicht mehr in Frage kommt. Ja, meine Schmerzen zeigen mir, was ich alles nicht mehr will – während das Neue oft noch Lichtjahre entfernt und einfach unerreichbar erscheint. Ich weiß dann zwar, dass da mehr ist, aber ich kann es noch nicht sehen. Dann stecke ich da fest in diesem Zwischenreich. Nichts geht mehr – nichts Altes und nichts Neues. Und in diesem Zustand hilft dann nur noch eins: ihn zu akzeptieren. Nicht mehr dagegen anzukämpfen, sondern alles Tun sein lassen und nur noch wahrnehmen, was gerade ist.
Denn erst dann glaubt mir meine Energie, dass ich so wie bisher wirklich nicht weiter will. Dass ich etwas Neues will. Sie wartet eine Weile, ob ich das auch wirklich ernst meine. Dann stehen wir da in unserer Zwickmühle und starren uns an. Alles tut weh, nichts fließt mehr, alles ist versteinert. Aber es hilft nichts, diesen Zustand zu bekämpfen. Denn dann würde meine Energie das nur wieder so verstehen, dass das Kämpfen mir anscheinend doch noch Freude macht. Und erst wenn ich wirklich aufhöre, mich anzustrengen und meine Energie ganz sicher ist, dass ich nicht mehr bereit bin, mich abzumühen: dann bietet sie mir etwas Neues an. Neue Potenziale, neue Entwicklungsmöglichkeiten, ja, eine ganz neue Beziehung zu ihr: Wir kommen dann nicht mehr zusammen, um gegeneinander zu kämpfen, sondern wenn ich es wirklich so meine, dann glaubt sie mir, dass ich bereit bin, mich ganz ohne Anstrengung von ihr tragen zu lassen.
Aaaaaahhhhh! Dann endlich öffnet sich alles. Und dann sehe ich erst, dass sie die ganze Zeit schon wieder ein wundervolles neues Geschenk für mich in der Hand hatte. Aber in diesem Geschenk steckt so unendlich viel Liebe, dass ich mir dieses Potenzial bisher einfach nicht vorstellen konnte. Ich wäre einfach nie darauf gekommen. Und erst als ich bereit war, etwas so Liebevolles von ganzem Herzen anzunehmen – erst dann konnte ich dieses Geschenk überhaupt wahrnehmen. Ja, jetzt bin ich bereit, jetzt sehe ich es und ich nehme es an – und sofort wird alles leicht und alle Schmerzen lösen sich auf. Jetzt sind meine Energie und ich nicht mehr im Kampf und Widerstand miteinander, sondern in Harmonie: Wir sind ein Team, sie ist mein bester Freund, der mich durchs Leben trägt und eine erfüllende Erfahrung nach der anderen für mich arrangieren darf. Wenn ich wirklich bereit bin, mich ganz rauszuhalten, dann übernimmt sie das Ruder. Und nur zu gern, denn sie hat seit einer Ewigkeit darauf gewartet, dass ich sie lasse.
Aber dahin zu kommen fällt mir bisher noch sehr schwer. Denn in diesem Zwischenzustand, in dieser Zwickmühle festzustecken löst alle möglichen schrecklichen Gefühle und Gedanken, Ängste und Zweifel in mir aus. Ich bin dann so angespannt, dass ich mich völlig verwirrt fühle – ich merke nur: Hier ist Stopp, hier geht gar nichts mehr. Und dann hilft nur, alles zuzulassen. Bis sich nach und nach der Nebel lichtet und mir klar wird, was genau mir eigentlich solche Angst macht. Und das kann alles Mögliche sein: Angst, dass ich jetzt endgültig alles kaputt gemacht habe und für immer hier feststecke. Angst, dass ich schon längst zu weit gegangen bin und mich in Fantasien verrannt habe, dass das alles nichts als Wunschdenken ist. Angst, dass es jemandem schaden könnte, wenn ich mich frei entfalte oder dass die viele Energie, die ich in diesem Energiestau wahrnehme, gleich alle und alles zerstören könnte, wenn ich sie freilasse. Angst, dass das allgemein übliche Bewusstsein einfach zu erdrückend ist, so dass es hier auf der Erde für immer unmöglich bleiben wird, mich für mein eigenes Bewusstsein zu öffnen. Angst, dass ich irgendwas falsch gemacht habe und niemals erkennen werde, was das ist – so dass ich sowieso niemals mein Glück finden werde.
Ich sehe meine Situation dann oft in einem bestimmten Bild: Es sieht aus wie ein Fernsehbild mit „Schnee“, also das, was man auf dem Bildschirm sieht, wenn kein Signal empfangen wird. Diese unendlich vielen schwarzen, grauen und weißen Pixel stehen dann für meine Energie. Und ich bin auch da: ganz unten links in der Ecke stecke ich fest. Ich bin winzig klein, nicht größer als ein paar Pixel. Über mir drängt meine Energie, mit der ich mich im alten Lebensmodus noch so abgemüht hatte. Jetzt kann ich mich nicht mehr anstrengen und deshalb fliehe ich stattdessen vor ihr: Ich flüchte in die hinterste Ecke und mache mich so klein wie ich nur kann. Allein dieses Kleinmachen bewirkt schon schreckliche Schmerzen. Aber noch dazu bin ich so voller Angst, dass ich einen starken, harten Widerstand aufbaue, der noch viel mehr Schmerz macht. Ich weiß genau, dass das alles nichts bringt und dass auf diese Art gar nichts weitergeht. Dass ich mich eigentlich für meine Energie öffnen sollte. Aber das funktioniert nicht – ich habe keine Kontrolle über diesen Zustand, etwas in mir reagiert reflexartig so. Das fühlt sich dann an wie ein verbissenes Tauziehen zwischen meiner seelischen Sehnsucht, noch viel mehr von mir hier auf die Erde zu bringen und meinem menschlichen Wunsch, dass alles bleibt wie es ist. Und erst dann, wenn ich auch diesem Widerstand zuhöre und ihn da sein lasse, wird er mit der Zeit weich und löst sich auf.
Uh, das sind wirklich fiese Ängste, in denen ich dann feststecke. Aber wie immer, wenn ich sie ganz zulasse, liegen sie früher oder später hinter mir. Und die viele Energie, die in ihnen gebunden war, wird dann sofort frei und geht an die Arbeit für mein neues, ganz eigenes Bewusstsein. Mein Fernsehbild explodiert in diesem Moment: Der winzige Punkt, der ich noch kurz vorher war, löst sich dann auf und verschmilzt mit den vielen anderen Pixeln. Und die sind dann auch nicht mehr schwarzweiß, sondern in ganz neuen, wunderschönen, fließenden Farben. Und noch dazu wird der gesamte Fernseher gesprengt: Es gibt dann keinen Rahmen mehr, sondern nur noch ein grenzenloses Meer von Energie, die nur für mich hier ist. Darin bin ich dann überall gleichzeitig und darin fließe ich federleicht. Dann endlich höre ich wieder das Lied meiner Seele und von ganz allein können wir nicht anders, als in schönster Harmonie miteinander zu tanzen.
Aaaaaahhhh – dann weiß ich erstmal wieder für diesen Moment, dass überhaupt gar nichts verkehrt mit mir ist und dass ich die ganze Zeit genau auf meinem Weg war. Und dass es ganz egal ist, wie oft ich das alles wieder vergesse – am Ende werde ich doch genau dort landen, wo ich immer hinwollte. Ich weiß dann, dass ich das gar nicht aufhalten kann und ich lasse erleichtert so viel wie ich kann von dieser beruhigenden Gewissheit in mich einströmen und trinke mich daran satt.
Dieses Gefühl von Sicherheit und Stimmigkeit wollte ich teilen. Falls da noch andere sind, die gerade das Gleiche erleben – du vielleicht? Und vielleicht glaubst du dann auch manchmal, du wärst die letzte Idiotin, die noch nicht kapiert hat, wie man ein gutes Leben lebt? Dabei bedeutet ein gutes Leben für uns einfach etwas ganz anderes als für fast alle anderen Menschen. Es bedeutet etwas ganz Neues: Für uns ist es nur dann gut, wenn wir uns dafür nicht anstrengen brauchen und alles Schöne von ganz allein zu uns kommt. Bitte vertrau dir und lass uns einfach weitergehen!
Kommentar schreiben
Luisa (Sonntag, 23 Juli 2023 23:19)
Oh ja, das kenne ich sehr gut.
All die quälenden Ängste und Zweifel. Und die Erkenntnis: dass ich nach etwas völlig Anderem suche und mich sehne, als die meisten anderen Menschen. Für mich ist glücklicherweise diese Sinnlosigkeit des Funktionierens oftmals unerträglicher als die fiesen Ängste. Denn bei den Ängsten merke ich schon wieder ein bisschen, dass ich da bin. Im Funktionieren ist gar nichts von mir da, das ist oft noch schlimmer.
Danke fürs Teilen!
Mareike (Montag, 24 Juli 2023 08:14)
Sehr gerne, liebe Luisa.
Und ich glaube, ich weiß, was du meinst: Veränderung macht Angst - aber noch viel gruseliger fühlt es sich an, wenn wir uns gar nicht mehr verändern.
Ach, es ist so schön für mich, dass du hier bist, Luisa! Liebe Grüße zu dir!
Luisa (Samstag, 07 September 2024 13:39)
Aah liebe Mareike,
Oh weia, in diesen Zwischenräumen stecke ich im Moment mehrmals täglich fest! Au au au, die tun so dolle weh. Aber dein weiteres Vorgehen hat mich gerade so sehr beruhigt und zu lesen, dass es nicht nur mir so geht und ich da nichts falsch mache. Ich empfinde es nämlich auch wie einen Reflex, wenn alles in mir in diesen Widerstand geht.
Danke für dein Teilen!
Liebe Grüße, Luisa
Mareike (Samstag, 07 September 2024 13:51)
Aaah, Luisa, deine Rückmeldung tut mir so gut! Denn ich hatte mich manchmal gefragt, ob dieser Artikel vielleicht ZU düster ist – ich möchte ja niemanden entmutigen? Aber dann war ich zu dem Schluss gekommen: Nein, das beschreibt genau, wie ich es erlebe und ich weiß, dass es anderen genauso geht. Wenn mein Text eine Ermutigung für sie sein soll, dann MUSS ich sagen wie es ist – denn nur dann wird es sie ansprechen, wenn sie sich selbst in diesen Abgründen wiederfinden. Und dann wird es ihnen so gut tun, von mir zu hören, dass das kein Fehler ist, sondern einfach der Weg vom Nur-Mensch-Sein zum Alles-sein-was-wir-sind. Also geh einfach weiter so, liebe Luisa, du bist direkt auf deinem Weg! Ganz liebe Grüße zu dir!