Wünsche äußern

Und Leichtigkeit entdecken

Wünsche äußern

Meine Erlebnisse am See aufzuschreiben hat so vieles in mir geklärt. Seitdem ist es so, als ob lauter Puzzleteile sich von ganz allein an ihren Platz sortieren. Aber es sind so viele – und so schöne – dass ich sie mir jetzt nochmal genauer anschauen möchte.

 

Also erstmal: Ich verstehe jetzt, wieso meine Energie auf diese ungewöhnliche Art mit mir kommunizieren musste. Es ging überhaupt nicht anders. Und um das zu erklären, muss ich ein bisschen ausholen.

 

Ich fange an mit einer Erfahrung vor ein paar Monaten. Da hatte ich einen Termin bei meiner Zahnärztin und ich wollte mit dem Fahrrad hinfahren. Ihre Praxis liegt in einem Vorort, aber als ich auf den schönen Pader-Radweg abbiegen wollte, war der wegen Erneuerung komplett gesperrt. Als ich das sah, stand ich kurz frustriert vor der Absperrung und überlegte, welche Route ich stattdessen nehmen sollte. In diesem Moment hielt eine andere Radfahrerin direkt vor meiner Nase und fragte mich, wo ich denn hin wollte. „Nach Elsen“ sagte ich. Da antwortete sie: „Na dann kommen Sie einfach mit, da muss ich auch hin.“ Und dann – das war so ein magischer Moment für mich! – sagte ich, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu zögern: „Ja gut. Aber ich unterhalte mich nicht – ist das okay?“ Die Frau stutzte kurz und meinte dann schmunzelnd: „Kein Problem“. Und schon radelte sie los und ich hinter ihr her.

 

Was da passiert war, war ein Schlüsselerlebnis für mich. Denn in diesem Moment war mir klargeworden, dass ich mich verändert hatte und ich konnte mich genau erinnern, wie es zu dieser Veränderung gekommen war: Ein paar Wochen vorher hatte ich nämlich einen bewegenden Aha-Moment erlebt. Da war mir plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen, dass ich schon seit einer Ewigkeit eine Gewohnheit mit mir herumschleppte, mit der ich mir mein Leben unnötig viel zu schwer machte. Sie lag darin, dass ich ganz automatisch über meine unguten Gefühle erstmal hinwegging. Ich registrierte sie zwar, aber ich behielt sie für mich, bis ich alleine war. Und wenn es dann soweit war, hatten die Gefühle längst angefangen in mir zu gären, so dass ich inzwischen randvoll davon war. Dann musste ich immer erst mühsam alles wieder hervorholen und mir einen Durchblick verschaffen, bevor ich überhaupt klar wusste, was mich eigentlich ursprünglich gestört hatte und was ich in Zukunft anders haben wollte. Und in diesem Moment kapierte ich auf einmal, dass es ja einen so viel leichteren Weg gab! Ich konnte das ungute Gefühl, das ich ja immer sofort bemerkte, einfach in dem Moment ausdrücken!

 

Wow! Wie war es möglich, dass ich darauf nicht schon vorher gekommen war?! Irgendwie musste da eine Überzeugung in mir gewesen sein, dass es immer besser ist, mich und meine Bedürfnisse zurückzunehmen und lieber mehr Raum für alle anderen Menschen zu lassen. Meine Wahrnehmungen erschienen mir eher wie meine Privatangelegenheit, mit der ich niemanden belasten wollte und ich war ja sowieso meist die Einzige mit unguten Gefühlen – da war es doch eindeutig, dass mit mir irgendwas nicht stimmte, oder? Aber jetzt erkannte ich sofort, dass dieses Verhalten für mich nicht mehr in Frage kam. Und in diesem Moment hatte ich gespürt, dass ich mich gerade verändert hatte und dass ich mich in Zukunft von ganz allein anders verhalten würde. Ich wusste nicht, wie das genau aussehen würde, aber das interessierte mich auch schon gar nicht mehr: Das ganze Problem war in diesem Moment einfach von mir abgefallen.

 

Und diese Veränderung hatte ich jetzt also zum ersten Mal gegenüber dieser netten Fahrradfahrerin bemerkt: Ich hatte keine Lust, mich zu unterhalten – und noch bevor mir diese Unlust überhaupt bewusst geworden war, hatte ich den Mund aufgemacht und sie ausgesprochen! Wow, wie neu war das denn?! Ich war begeistert! Und es wurde sogar noch richtig lustig: Denn ich war so überglücklich deswegen, dass ich an jeder roten Ampel sofort anfing, diese Frau fröhlich vollzuplappern! Dann fuhr sie wieder vor und ich strahlend hinter ihr her bis nach Elsen, wo wir uns lachend verabschiedeten. Wow, was für eine beflügelte Radtour!

 

Ich habe sehr, sehr oft keine Lust, mich zu unterhalten. Und der Grund dafür ist, dass ich fast alle Unterhaltungen todlangweilig finde. Sie geben mir nichts und wenn ich früher in einem Gespräch – oft dem Monolog von jemandem – feststeckte und es aus Höflichkeit nicht schaffte, daraus zu fliehen, dann machte mir das sehr schnell sehr starke Schmerzen. Ja, für mein Gefühl wird mit 95 Prozent der Wörter, die gesprochen werden, einfach eins zu eins das pausenlose Gelaber des Verstands abgelassen. Wirklich beseelt spricht dagegen so gut wie nie jemand – und deshalb tut es mir oft so weh, dabei zuzuhören.

 

Ich erinnere mich an ein Zitat, über das ich vor vielen Jahren gestolpert bin. Von dem Autor, Jean de La Bruyère, habe ich noch nie gehört, aber sein Satz hatte mich mitten ins Herz getroffen: „Der Weise meidet zuweilen die Menschen, aus Angst sich zu langweilen.“ Huh, ich weiß noch, wie sehr mir das damals geholfen hat, mich selbst zu verstehen. Und ich weiß, wie beseelte Gespräche sich anfühlen: Denn so sind meine Coachings. Da gibt es kein Geschwafel oder oberflächliches Blabla. Sondern dann sind nur unsere Seelen da, die sich miteinander unterhalten. Diese Gespräche berühren und beleben jede Zelle in mir. Sie sind so erfüllend für mich und sie öffnen mein Herz.

 

Aber warum erzähle ich das alles? Weil ich damit deutlich machen möchte, dass meine Energie meine Aufmerksamkeit also schon längst nicht mehr mit einem langweiligen Gespräch gewinnen konnte. Als mein „See-Mann“ das versucht hatte, war ich ja gar nicht darauf eingegangen und das fühlte sich für mich auch nicht verkehrt, sondern ganz normal an. Ich hatte wohl immer noch auf etwas Beseeltes von ihm gewartet – zum Beispiel, dass er einfach sagt: „Ich würde dich gerne berühren.“

 

Und jetzt erinnere ich mich auch an den Moment, als ich zu ihm gegangen war und meine Decke neben seiner ausgebreitet hatte. Er hatte mich gefragt, woher ich denn überhaupt komme. Und ich hatte ihm ohne zu zögern geantwortet: „Aus Paderborn, aber ich habe eigentlich gar keine Lust, mich zu unterhalten.“ Das war mir auch deshalb nicht schwer gefallen, weil ich genau das Gleiche in fetten, schwarzen Buchstaben von seiner Stirn ablesen konnte: „Ich habe dich das zwar gefragt, aber in Wahrheit interessiert mich das gerade nicht die Bohne.“ Und ich konnte spüren, dass es ihn erleichterte, dass ich das aussprach, was er sich nicht getraut hatte. Und weil ich dann sowieso schon neben ihm lag, gab auch er endlich den Widerstand auf und erlaubte seinem Körper, sich ganz eng an meinen zu schmiegen. Aaaaaahhhhh – jetzt kommunizierten wir beseelt! Ganz ohne Worte, aber absolut klar und deutlich: Aaaaahhhh, endlich, endlich sind wir ganz nah zusammen – endlich berühren wir uns!

 

Ja, jetzt habe ich sogar den Eindruck, dass genau dieses aufrichtige Verhalten von mir dazu geführt hat, dass sich diese Begegnung so leicht für mich anfühlt: Ich wollte mich nicht unterhalten und dadurch erfuhr ich auch nichts von diesem Mann. Nur das, was ohne Worte rüberkam: Dass er ein sehr, sehr zärtlicher Mensch ist – und das fühlt sich nun mal nur leicht und wunderschön an. Wow, so einfach ist das also?! So einfach, dass es mich sogar ein bisschen traurig macht, dass ich das erst jetzt verstanden habe. Wie anders hätten sich meine früheren Beziehungen für mich angefühlt, wenn ich mich von vorn herein nie verpflichtet gefühlt hätte, mich zu unterhalten?

 

Mir wird jetzt erst bewusst, was meine innere Wahrheit eigentlich bedeutet. Sie ist nicht einfach „eine Wahrheit unter vielen“. Sondern sie ist meine einzigartige Wahrnehmung der Welt. So wie jeder Mensch die Welt aus seiner einzigartigen Perspektive wahrnimmt. „Mein Licht zu scheinen“ bedeutet für mich, meine Wahrheit nicht mehr versteckt zu halten, sondern genau sie auszudrücken. Und zwar am besten sofort, ohne sie überhaupt erst zurück zu halten. Und wieso auch nicht? Alle möglichen Leute drücken jeden Tag allen möglichen Müll aus – da ist es doch wirklich verkehrt, wenn ausgerechnet ich meine Wahrnehmung geheim halte. Und das gilt auch für dich. Wenn du das hier liest, dann bist du ein soo sensibler Mensch und du nimmst so viel wahr, was andere gar nicht sehen: Da ist es immer eine Bereicherung, wenn auch deine Sicht der Dinge für andere sichtbar wird. Genau sie bringt etwas Neues in eine Welt, die so abgrundtief in alten Sichtweisen feststeckt. 

   

 

nächster Blogbeitrag ➔

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Lukas (Freitag, 21 Juli 2023 13:59)

    Liebe Mareike,
    Oft ist es noch schwierig für mich so klar auszudrücken was ich gerade brauche.
    Lange Zeit wusste ich garnicht, dass ich das darf...
    Deine worte gehen so direkt zu meinem Herz.
    Es fällt mir so leicht deinen Blog zu lesen weil ich direkt dabei bin. Ich spüre was du erlebst und das ergreift mich oft zutiefst. In jedem Eintrag finde ich ein stück von mir wieder, oft geht es mir genauso in den Situationen die du beschreibst.
    Danke für viele "Achja stimmt!" Momente.
    Danke für all deine Erinnerungen wie es sein darf.
    Danke für das Teilen deiner Erfahrungen.
    Danke für deine offene Ehrlichkeit auch bei Intimen Themen.
    Dein Blog ist immer wieder ein tolles Geschenk für mich.
    Danke!

  • #2

    Mareike (Freitag, 21 Juli 2023 14:45)

    Ooooh, Lukas. Deine Rückmeldung berührt mich so sehr, sie macht mich so glücklich! Danke, dass du mir das alles so ehrlich sagst! Das ist eine ganz wertvolle Bestärkung für mich - DANKE!!!